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Artikel von Elisa Morgan

Herzenshunger

Ich war mit meinem Mann zum Einkaufen und checkte nebenher meine E-Mails. Plötzlich erschien zu meiner Überraschung die Werbung einer Bäckerei, an der wir gerade vorbeigefahren waren. Und schlagartig bekam ich Hunger. Ich staunte, wie die Technik es Ladenbesitzern heute möglich macht, uns in ihre Läden zu locken.

Unsere Verletzungen verstecken

Ich war Gastsprecherin in einer örtlichen Gemeinde und mein Thema war eine ehrliche Geschichte darüber, unsere Zerbrochenheit vor Gott zu bringen und die Heilung zu empfangen, die er geben will. Ehe ich mit einem Gebet endete, stellte sich der Pastor in den Mittelgang, schaute der Versammlung tief in die Augen und sagte, „Als euer Pastor habe ich das Vorrecht, euch Mitte der Woche zu sehen und eure herzzerreißenden Geschichten der Zerbrochenheit zu hören. Im Gottesdienst am Wochenende habe ich den Schmerz, zuzusehen, wie ihr eure Verletzungen versteckt“.

Stopp

Meine Freundin und ich saßen im Sand, nahe des ewig rhythmischen Ozeans. Während die Sonne in der Ferne unterging, brach sich Welle um Welle, hielt inne und rollte auf unsere ausgestreckten Zehen zu. „Ich liebe den Ozean“, lächelte sie. „Er bewegt sich, damit ich es nicht tun muss.“

Auf den Baum hinauf

Meine Mutter entdeckte mein Kätzchen Velvet oben auf der Küchentheke, wo es gierig selbst gebackenes Brot verschlang. Verstimmt und frustriert schickte sie es vor die Tür. Stunden später suchten wir ohne Erfolg unsere verschwundene Katze. Ein schwaches Miau tönte im Wind, und ich sah zur Spitze einer Pappel, wo ein schwarzer Fleck einen Ast schwenken ließ.

Überall

Als ich durch eine Kiste meiner alten Hochzeitsfotos stöberte, blieb ich an einem Bild meines Mannes und mir hängen, den neu ernannten „Mann und Frau“. Meine Hingabe war in meinem Ausdruck offensichtlich. Ich würde überall mit ihm hingehen.

Das Vermächtnis weitergeben

Mein Telefon piepte, ein Zeichen für eine ankommende SMS. Meine Tochter wollte das Rezept meiner Großmutter für Pfefferminz-Eiscremekuchen. Während ich durch die gelben Karten meiner Kiste mit Rezepten blätterte, sah ich die unverwechselbare Handschrift meiner Großmutter sowie etliche Notizen in der kleinen Schreibschrift meiner Mutter. Mir wurde bewusst, dass mit dem Wunsch meiner Tochter, der Pfefferminz-Eiscremekuchen seinen Zutritt in eine vierte Generation meiner Familie machte.

Die Segensschüssel

Das vertraute Piepen einer neu eingetroffenen E-Mail unterbrach mich bei der Arbeit am Computer. Normalerweise widerstehe ich der Versuchung, jede E-Mail sofort zu lesen, aber diesmal machte die Betreffzeile mich neugierig: „Du bist ein Segen.“

Im Alltag

Ich lud die Einkäufe ins Auto und fuhr vorsichtig aus der Parklücke. Plötzlich sprang ein Mann, der meine Absicht nicht bemerkt hatte, direkt vor mir auf die Straße. Ich trat auf die Bremse und kam knapp vor ihm zum Stehen. Erschreckt sah er auf und traf meine Blicke. Nun lag es an mir—sollte ich wütend die Augen verdrehen oder ihm freundlich zulächeln? Ich entschied mich fürs Lächeln.

Mensch sein

Ein Polizeibeamter wurde gefragt, wie er seine Rolle in einer Gesellschaft, die sich nicht immer gesetzeskonform verhält, definieren würde. Er zückte nicht seinen Dienstausweis oder verwies auf seinen Dienstgrad, sondern meinte: „Wir sind Menschen, die mit Menschen in einer Krise zu tun haben.“

Ein sicherer Ort

Zusammen mit meiner Tochter wollte ich zu einem größeren Familientreffen fahren. Weil sie etwas nervös war wegen der langen Fahrt, bot ich ihr an, dass ich fahren könnte. „Gut“, erwiderte sie. „Aber lass uns mein Auto nehmen. Kannst du es fahren?“ Ihr Auto ist etwas geräumiger als mein kleines. Deshalb fragte ich zurück: „Ist dir meins zu eng?“ „Nein“, entgegnete sie. „Aber mein Auto ist mein Zufluchtsort. Irgendwie fühle ich mich darin sicherer.“

Nozomi-Hoffnung

Das Erdbeben vor Fukushima mit dem folgenden Tsunami kostete 2011 fast 19.000 Menschen das Leben. 230.000 Häuser wurden zerstört. Mit dem Nozomi-Projekt sollen Betroffene wieder Einkünfte, Gemeinschaft, Würde und Hoffnung auf einen Gott finden, der sie nicht im Stich lässt. Nozomi heißt auf Japanisch „Hoffnung“.