Autoren

Alle anzeigen

Artikel von Winn Collier

Waghalsig und rücksichtslos

Lindisfarne, auch bekannt als Holy Island (Heilige Insel), ist eine Gezeiteninsel an der Nordostküste Englands. Sie ist durch eine schmale Straße mit dem Festland verbunden. Zweimal am Tag bedeckt das Meer diesen Damm. Schilder warnen die Besucher vor der Gefahr, die Straße bei Flut zu befahren. Manchmal ignorieren Touristen die Warnungen und sitzen dann auf den Dächern ihrer überfluteten Autos oder schwimmen zu erhöht liegenden Sicherheitshütten, wo sie gerettet werden können. Die Flut ist vorhersehbar, so sicher wie die aufgehende Sonne. Und die Warnungen sind überall, man kann sie unmöglich übersehen. Doch wie ein Schriftsteller mal beschrieb, ist Lindisfarne ein Ort, „an dem die Leichtsinnigen versuchen, das Wettrennen mit der Flut zu gewinnen“.

Befreiende Beichte

Ich habe von einem Mann gehört, den Menschen anheuern, wenn sie im Sterben liegen. Sie bezahlen ihn dafür, dass er auf ihrer Beerdigung auftaucht und Geheimnisse preisgibt, die sie zu Lebzeiten nie erzählt haben. Der Mann hat Grabreden unterbrochen. Er hat verblüffte Amtsträger gebeten, sich zu setzen, als sie anfingen, Einspruch zu erheben. Einmal stand er auf, um zu erklären, wie der Mann im Sarg im Lotto gewonnen hatte, es aber niemandem erzählte und jahrzehntelang vorgab, ein erfolgreicher Geschäftsmann zu sein. Mehrere Male hat der angeheuerte Mann einer verwitweten Ehefrau Untreue gestanden. Man kann darüber streiten, ob diese Handlungen ausbeuterisch oder gut gemeint waren. Aber offensichtlich ist der Hunger der Menschen sehr groß, von vergangenen Sünden freigesprochen zu werden.

Zeit zum Feiern

In unserer alten Gemeinde taufte ich oft im örtlichen Fluss, wo die Sonne oft heiß, das Wasser aber eiskalt war. Nach dem Sonntagsgottesdienst stiegen wir in unsere Autos und fuhren gemeinsam dorthin. Im eiskalten Wasser stehend, las ich aus der Bibel und tauchte die Täuflinge in diesen greifbaren Ausdruck der Liebe Gottes ein. Als sie bis auf die Knochen durchnässt wieder auftauchten, brachen Jubel und Beifall aus. Auf dem Weg zum Ufer umarmten Freunde und Verwandte die Täuflinge – alle durchnässt. Es gab Kuchen, Getränke und Snacks. Die Nachbarn, die zusahen, verstanden nicht immer, was geschah, aber sie wussten, dass es ein Fest war.

Blühende Wüsten

Vor einem Jahrhundert bedeckten üppige Wälder etwa 40 Prozent Äthiopiens, heute sind es nur noch etwa 4 Prozent. Abholzung und mangelnder Schutz der Bäume haben zu einer ökologischen Krise geführt. Die große Mehrheit der verbliebenen kleinen grünen Flecken wird von Kirchen geschützt. Seit Jahrhunderten kümmern sich die lokalen Kirchen um diese Oasen inmitten der kargen Wüste. Luftaufnahmen zeigen grüne Inseln, die von braunem Sand umgeben sind. Die Kirchenleiter betonen, dass sie die Pflege der Bäume als ein Teil ihres Gehorsams gegenüber Gott zum Verwalten der Schöpfung sehen.

Freude in der Stadt

Das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2022 zwischen Frankreich und Argentinien war ein unglaubliches Spiel, das von vielen als „das größte WM-Spiel der Geschichte“ bezeichnet wurde. Als die letzten Sekunden der Verlängerung verstrichen, stand es 3:3 und die Mannschaften mussten ins Elfmeterschießen. Nachdem Argentinien den Siegtreffer erzielt hatte, brach die ganze Nation in Jubel aus. Über eine Million Argentinier strömten nach Buenos Aires. In den Sozialen Medien verbreiteten sich Drohnenbilder, die diese ausgelassene und glückliche Szene zeigten. Ein BBC-Bericht beschrieb, wie die Stadt von einer „Explosion der Freude“ erschüttert wurde.

Glückliches Vertrauen

Eine Frau rettete den Hund Rudy aus dem Tierheim, wenige Tage bevor er eingeschläfert werden sollte. Zehn Jahre lang schlief Rudy ruhig neben Lindas Bett, doch dann begann er plötzlich, neben ihr herzuspringen und ihr Gesicht zu lecken. Linda schimpfte mit ihm, aber jede Nacht wiederholte Rudy sein Verhalten. „Bald sprang er jedes Mal, wenn ich mich hinsetzte, auf meinen Schoß und leckte mir das Gesicht“, sagt Linda.

Nutzen, was Gott schenkt

Das Rathaus von Brisbane in Australien war ein schillerndes Projekt aus den 1920er Jahren. Die weiße Treppe bestand aus Marmor aus demselben Steinbruch, den Michelangelo für seine David-Skulptur verwendet hatte. Der Turm war dem Markusdom in Venedig nachempfunden, und die Kupferkuppel war die größte der südlichen Hemisphäre. Die Erbauer wollten die Spitze mit einem riesigen Friedensengel schmücken, aber es gab ein Problem: Es war kein Geld übrig. Der Klempner Fred Johnson kam zur Rettung. Er benutzte einen Toilettenspülkasten, einen alten Laternenpfahl und Schrottteile, um die ikonische Kugel zu bauen, die den Turm seit fast hundert Jahren krönt.

Zusammen besser

Søren Solkær fotografiert seit Jahren Stare und ihr atemberaubendes Schauspiel: Murmurationen, bei denen sich Hunderttausende von Staren in fließenden Bewegungen über den Himmel bewegen. Dieses Wunder zu beobachten ist, als säße man unter einer orchestrierten, wirbelnden Welle oder unter einem gewaltigen, dunklen Pinselstrich, der sich in ein Kaleidoskop von Mustern verwandelt. In Dänemark nennt man dieses Starenerlebnis „Black Sun“ – Schwarze Sonne – (so auch der Titel von Solkærs beeindruckendem Bildband). Das Bemerkenswerteste ist, dass Stare instinktiv ihrem nächsten Artgenossen folgen und so dicht fliegen, dass es zu einem Massenunglück käme, wenn einer von ihnen einen Schlag verfehlen würde. Die Stare schützen sich jedoch gegenseitig durch Murmeln. Wenn sich ein Falke nähert, bilden die winzigen Tiere eine enge Formation und bewegen sich gemeinsam, um einen Räuber abzuwehren, der sie allein leicht erwischen würde.

Aus Schrott wird Schönheit

Meine Frau Miska hat eine Halskette und Ohrringe aus Äthiopien. Ihre elegante Schlichtheit verrät echte Handwerkskunst. Aber das Erstaunlichste an diesen Stücken ist ihre Geschichte. Aufgrund jahrzehntelanger gewaltsamer Auseinandersetzungen und eines andauernden Bürgerkriegs ist Äthiopien übersät mit alten Artilleriegeschossen und Patronen. In einem Akt der Hoffnung durchkämmen die Äthiopier die verbrannte Erde und räumen die Trümmer weg. Aus den Überresten der Granaten und Patronen stellen Kunsthandwerker Schmuck her.

Das Böse aufsaugen

Die Nuklearkatastrophe von Fukushima Daiichi im Jahr 2011, ausgelöst durch ein Erdbeben, setzte große Mengen an Giftstoffen frei und zwang mehr als 150.000 Menschen zur Evakuierung. Ein Einheimischer sagte: „Es ist, als wäre ein unsichtbarer Schnee auf Fukushima gefallen und hätte das Gebiet bedeckt.“ Die hohe Strahlenbelastung wurde in Pflanzen, Fleisch und an „Hotspots“ in mehreren Kilometern Entfernung vom Kraftwerk festgestellt. Um die Toxine zu bekämpfen, begannen die Einwohner, Sonnenblumen anzupflanzen, eine Pflanze, die bekannt dafür ist, Strahlung zu absorbieren. Sie pflanzten mehr als zweihunderttausend Samen, und heute blühen Millionen von Sonnenblumen in Fukushima.

Der Heilige Nikolaus

Die Person, die wir als den Heiligen Nikolaus kennen, wurde um 270 n. Chr. in eine wohlhabende griechische Familie geboren. Tragischerweise starben seine Eltern, als er noch ein kleiner Junge war, und er lebte bei seinem Onkel, der ihn liebte und ihn lehrte, Gott zu folgen. Als Nikolaus noch ein junger Mann war, hörte er der Legende nach von drei Schwestern, die keine Mitgift für eine Hochzeit hatten und bald mittellos sein würden. Da er der Lehre Jesu folgen wollte, den Bedürftigen zu geben, nahm er sein Erbe und gab jeder Schwester einen Beutel mit Goldmünzen. Im Laufe der Jahre verschenkte Nikolaus den Rest seines Geldes, um die Armen zu speisen und sich um andere zu kümmern. In den folgenden Jahrhunderten wurde Nikolaus für seine verschwenderische Großzügigkeit geehrt und inspirierte die Figur, die wir als Nikolaus heute noch kennen.

Die Stimme des Hirten

Als ich ein Junge war, lebte ich auf einem Bauernhof auf dem Land und verbrachte dort wunderbare Nachmittage mit meinem besten Freund. Wir wanderten durch die Wälder, ritten auf Ponys und schauten den Knechten zu, wie sie die Pferde versorgten. Aber jedes Mal, wenn ich die Pfeife meines Vaters hörte, diesen klaren Ton, der sich durch den Wind und all die anderen Geräusche hindurchsetzte, ließ ich alles stehen und liegen und lief nach Hause. Das Signal war unmissverständlich und ich wusste, dass mein Vater mich brauchte. Noch Jahrzehnte später erkenne ich diesen Pfiff wieder.

Kopfüber in die Gefahr

Im Jahr 1892 übertrug ein an Cholera erkrankter Einwohner versehentlich die Krankheit über die Elbe in die gesamte Wasserversorgung von Hamburg. Innerhalb weniger Wochen starben zehntausend Bürger. Acht Jahre zuvor hatte der deutsche Mikrobiologe Robert Koch eine Entdeckung gemacht: Cholera wird durch Wasser übertragen. Kochs Entdeckung veranlasste die Behörden der europäischen Großstädte in Filtersysteme zu investieren, um ihr Wasser zu schützen. Die Hamburger Behörden hatten jedoch nichts unternommen. Aus Kostengründen und unter Berufung auf zweifelhafte wissenschaftliche Erkenntnisse ignorierten sie die eindeutigen Warnungen, während ihre Stadt auf eine Katastrophe zusteuerte.

Wir brauchen Weisheit

In seinem monumentalen Buch The Great Influenza erzählt John M. Barry die Geschichte der Grippeepidemie von 1918. Barry zeigt auf, dass die Gesundheitsbehörden nicht unvorbereitet waren, sondern mit einem massiven Ausbruch rechneten. Sie befürchteten, dass der Erste Weltkrieg mit Hunderttausenden von Soldaten, die in Schützengräben eingepfercht waren und über Grenzen hinweg zogen, neue Viren freisetzen würde. Aber dieses Wissen war nutzlos, um die Verwüstung aufzuhalten. Mächtige Führer schlugen die Kriegstrommeln und stürzten sich in die Gewalt. Und Epidemiologen schätzen, dass 50 Millionen Menschen an der Epidemie starben, zusätzlich zu den etwa 20 Millionen, die im Krieg getötet wurden.

Wunderbare Wiederherstellung

In seinem Buch Art + Faith: A Theology of Making (Kunst und Glaube: Eine Theologie des Schaffens) beschreibt der bekannte Künstler Makoto Fujimura die alte japanische Kunstform Kintsugi. Dabei nimmt der Künstler zerbrochene Töpferware (ursprünglich Teegeschirr), setzt die Scherben mit Lack wieder zusammen und füllt Gold in die Risse ein. „Kintsugi“, erklärt Fujimura, „repariert nicht einfach ein zerbrochenes Gefäß, sondern macht die zerbrochene Keramik noch schöner als das Original.“ Kintsugi wurde vor Jahrhunderten zum ersten Mal angewandt, als die Lieblingstasse eines Kriegsherrn zerstört und dann wunderschön wiederhergestellt wurde, und hat sich zu einer begehrten Kunst entwickelt.