Eine der Regeln, die in meinem Elternhaus galten, lautete, dass wir nicht zornig ins Bett gehen dürften (Eph. 4,26). Streit und Meinungsverschiedenheiten mussten vorher beigelegt werden. Mit dieser Gute-Nacht-Regel ging ein anderes Ritual einher. Mama und Papa kamen zu meinem Bruder und mir ans Bett und sagten: „Ich hab dich gern. Schlaf gut.“ Und wir erwiderten: „Ich dich auch. Gute Nacht!“
Was solch ein Familienritual wert ist, wurde mir kürzlich wieder bewusst. Meine Mutter lag mit Lungenkrebs im Spital im Sterben. Sie reagierte immer weniger. Wenn ich abends von ihr fort ging, sagte ich: „Mama, ich hab dich gern.“ Und obwohl sie kaum mehr sprechen konnte, antwortete sie: „Ich dich auch.“ Als Kind hatte ich keine Ahnung, wie viel dieses Ritual später einmal für mich bedeuten würde.
Mit der Zeit und Wiederholung können unsere Rituale ihren Sinn verlieren. Aber einige sind wichtige Erinnerungen an ganz entscheidende geistliche Wahrheiten. Die Gläubigen im ersten Jahrhundert missbrauchten die Praxis des Abendmahls. Aber der Apostel Paulus befahl ihnen nicht, die Feier ganz abzuschaffen. Stattdessen sagte er: „Sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (1.Kor. 11,26).
Statt unsere Rituale aufzugeben, sollten vielleicht auch wir wieder mehr ihren Sinn betonen.