Ich sah, wie sie jeden Tag die Morgendämmerung begrüßte. Sie war unsere lokale Power Walking Frau. Wenn ich meine Kinder zur Schule fuhr, stand sie auf dem Seitenstreifen der Straße. Ausgestattet mit überdimensionalen Kopfhörern und kniehohen, bunten Socken, schritt sie mit abwechselnden Bewegungen der Arme und Füße die Straße entlang, immer mit einem Fuß auf dem Boden. Dieser Sport unterscheidet sich vom Rennen oder Joggen. Beim Power Walking handelt es sich um eine bewusste Zurückhaltung, ein Zurückdrängen des natürlichen Willens zum Laufschritt. Auch wenn es nicht so aussieht, ist genauso viel Energie, Konzentration und Kraft im Spiel wie beim normalen Laufen oder Joggen. Aber anders kontrolliert.
Kraft unter Kontrolle – darum geht es. Biblische Demut, wie auch das Power Walking, wird oftmals als Schwäche angesehen. Aber dem ist nicht so. Demut schmälert nicht unsere Stärken oder Fähigkeiten, sondern kontrolliert sie, ähnlich wie die Arme, Beine und Füße durch den Geist eines frühmorgendlichen Power-Walkers geleitet werden.
Die Worte des Propheten Micha, „demütig vor Gott“ sind ein Aufruf an uns, unsere Neigung zu zügeln, Gott vorauslaufen zu wollen. Er fordert uns auf, uns an das Recht zu halten, liebevoll und barmherzig miteinander umzugehen (V. 8), und das kann den Wunsch mit sich bringen, etwas zu tun und es schnell zu tun. Das ist verständlich, denn die täglichen Ungerechtigkeiten in unserer Welt sind so überwältigend. Aber wir sollen uns von Gott kontrollieren und führen lassen. Unser Ziel ist es, seinen Willen und seine Absichten erfüllt zu sehen, wenn sein Reich hier auf Erden erscheint.