Ein Bekannter war in Jerusalem und sah dort einen alten Rabbi an der Klagemauer. Besonders interessant fand er dabei die fünf jungen Männer, die dem alten Rabbi folgten. Auch sie gingen vornüber gebeugt und etwas schleppend – genau wie er. Ein orthodoxer Jude hätte bei ihrem Anblick sofort gewusst, wieso sie ihren Lehrer nachahmten. Sie waren seine „Nachfolger“.
Durch die ganze Geschichte des Judentums hindurch galt es für einen jüdischen Mann als eine besondere Ehre und höchstes Privileg, „Nachfolger“ eines Rabbi zu werden. Die Nachfolger saßen zu Füßen ihres Rabbi und hörten ihm zu. Sie studierten seine Worte und beobachteten, wie er sich im Leben und anderen Menschen gegenüber verhielt. Ein Nachfolger betrachtete es als höchste Auszeichnung, seinem Rabbi selbst in den banalsten Dingen zu dienen. Und weil er seinen Rabbi bewunderte, war er entschlossen, zu werden wie er.
Als Jesus seine Jünger in die Nachfolge rief (Matth. 4,19), war das eine Einladung, sich von ihm verändern zu lassen, zu werden wie er und seine Leidenschaft für die, die einen Erlöser brauchten, zu teilen. Die hohe Ehre, sein Nachfolger zu sein, sollte sich auch in ihrem Leben zeigen. Auch wir sind berufen, die Aufmerksamkeit der Welt auf uns zu ziehen, wenn wir wie Jesus reden, denken und handeln – den Rabbi und Lehrer unserer Seelen.