Als mich eine Leiterin fragte, ob ich mit ihr unter vier Augen sprechen könne, fand ich Kathrin mit roten Augen und feuchten Wangen im Beratungsraum des Gemeindezentrums vor. Die 42-jährige Kathrin sehnte sich danach, verheiratet zu sein, und ein Mann zeigte gerade Interesse an ihr. Aber dieser Mann war ihr Chef und er hatte bereits eine Frau.
Mit einem Bruder, der sie grausam hänselte, und einem Vater, der ihr keine Zuneigung entgegenbrachte, entdeckte Kathrin früh, dass sie für die Annäherungsversuche von Männern empfänglich war. Eine Erneuerung des Glaubens gab ihr neue Grenzen, nach denen sie leben konnte, aber ihre Sehnsucht blieb, und der Blick auf eine Liebe, die sie nicht haben konnte, war eine Qual.
Nach dem Gespräch beugten Kathrin und ich unsere Köpfe. Und in einem rauen und kraftvollen Gebet bekannte sie ihre Versuchung, erklärte ihren Chef für unantastbar, übergab ihre Sehnsucht an Gott und verließ den Raum mit einem Gefühl der Erleichterung.
An diesem Tag wurde mir klar, wie brillant der Rat des Paulus ist, einander als Brüder und Schwestern im Glauben zu behandeln (V. 1-2). Wie wir Menschen sehen, bestimmt, wie wir mit ihnen umgehen. In einer Welt, die schnell dazu neigt, sie zu objektivieren und zu sexualisieren, hilft uns die Betrachtung des anderen Geschlechts als Familie, sie mit Sorgfalt und Anstand zu behandeln. Gesunde Brüder und Schwestern missbrauchen oder verführen sich nicht gegenseitig.
Da Kathrin nur Männer kannte, die sie erniedrigten, ausnutzten oder ignorierten, brauchte sie jemanden, mit dem wie eine Schwester mit ihrem Bruder reden konnte. Das Schöne am Evangelium ist, dass es genau das bietet: Es schenkt uns neue Geschwister, die uns helfen, die Probleme des Lebens zu meistern.