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Artikel von Philip Yancey

An der Quelle

Unser Haus liegt an einem Bach am Fuß eines Berges. Während der Schneeschmelze und nach heftigen Regenfällen schwillt der Bach an und wird zu einem reißenden Fluss. Es sind schon Menschen in ihm ertrunken. Eines Tages verfolgte ich ihn einmal zurück bis zur Quelle, einem Schneefeld auf dem Gipfel. Von dort macht sich der schmelzende Schnee auf den langen Weg ins Tal. Unterwegs nimmt er noch andere Rinnsale auf, bis er zu dem Bach wird, der an meinem Haus vorbeiströmt.

Erste Schritte

Eine Bekannte hielt mich vor ein paar Tagen an, um mir das Allerneuste zu erzählen. Sie schilderte mir dann zehn Minuten lang die ersten Schritte ihres einjährigen Neffen. Er konnte laufen! Für jemanden, der uns zufällig hörte, muss das ziemlich bizarr geklungen haben. Die meisten Leute können laufen. Was soll das?

Schachmeister

Als Schüler war ich stolzer Schachspieler. Ich war im Schach  club und saß über Mittag mit anderen über Bücher gebeugt   mit Titeln wie Klassische Eröffnungszüge. Ich übte Techniken, gewann die meisten Partien und räumte die Figuren dann zwanzig Jahre lang zur Seite. Dann lernte ich einen Spieler kennen, der seine Technik seit damals immer weiter vervollkommnet hatte. Ich erfuhr, was es heißt, gegen einen Meister zu spielen. Obwohl ich völlig frei war, meine Figuren so zu setzen, wie ich wollte, half mir alle Taktik nicht weiter. Er war mir so haushoch überlegen, dass jeder meiner Züge letztlich seinen Zielen diente.

Unseresgleichen

Ende des 19. Jahrhunderts fühlte sich William Carey berufen, als Missionar nach Indien zu gehen, um die gute Nachricht von Jesus weiterzugeben. Die Pastoren um ihn herum spotteten: „Junger Mann, wenn Gott in Indien Menschen retten will, dann wird er das ohne deine oder unsere Hilfe tun!“ Sie hatten nicht begriffen, was Partnerschaft bedeutet. Gott tut auf der Erde sehr wenig ohne unseresgleichen.

Felsenfester Glaube

Meine Frau und ich haben beide Großmütter, die schon über 100 Jahre alt sind. Wenn ich mit ihnen oder ihren Bekannten rede, bemerke ich einen Trend, den man bei fast allen alten Menschen beobachten kann – auch schwere Zeiten werden in der Erinnerung verklärt: Ob der Zweite Weltkrieg oder die große Depression; Schneestürme, die Außentoilette oder die Zeit am College, als es drei Wochen lang nur Suppe aus der Dose und trockenes Brot gab, von allem erzählen sie mit einem Hauch von Nostalgie.

Ungehinderter Zugang

Als John F. Kennedy US-Präsident war, gelang den Fotografen manchmal ein reizender Schnappschuss. Um den Schreibtisch des Präsidenten im Oval Office saßen die Kabinettmitglieder und diskutierten über Fragen von weltweiter Bedeutung, während ein kleiner Junge, der 2-jährige John-John, unter und um den riesigen Tisch herumkrabbelte, ohne sich um Protokoll und Politik zu scheren. Er wollte einfach seinen Papa besuchen.

Happy End

Die „Story“ der Bibel endet etwa am selben Punkt, an dem sie begann. Die zerstörte Beziehung zwischen Gott und den Menschen ist wieder hergestellt und der Fluch aus 1.Mose 3 weggenommen. Mit aus dem Paradies entlehnten Bildern schildert die Offenbarung einen Fluss und einen Baum des Lebens (Offb. 22,1-2). Aber statt eines Gartens finden wir jetzt eine große Stadt – eine Stadt voller Gestalten, die Gott anbeten. Kein Tod und kein Leid werden die Szene je verdüstern. Wenn wir in dem neuen Himmel und der neuen Erde erwachen, gibt es endlich ein Happy End.

Von unten nach oben

In Indien besuchte ich einen Gottesdienst mit Leprakranken. Die größten medizinischen Fortschritte in der Behandlung von Lepra sind Missionsärzten zu verdanken, die bereit waren, unter den Patienten zu leben und sich der gefürchteten Krankheit auszusetzen. Das hat zur Folge, dass die Gemeinden in den meisten Lepragebieten wachsen. In Myanmar besuchte ich Heime für Aids-Waisen, in denen Christen freiwillig die elterliche Zuwendung schenken, die von der Krankheit gestohlen wurde. Die bewegendsten Gottesdienste, die ich je besucht habe, fanden in Chile und Peru statt, im Inneren von Staatsgefängnissen. Unter den Niedrigen, den Elenden, den Unterdrückten – den von der Welt Abgelehnten – schlägt Gottes Reich Wurzeln.

Erstaunliche Gnade

John Newton war zum Dienst in der Royal Navy gezwungen worden, wurde dann aber wegen Unbotmäßigkeit entlassen und wandte sich dem Sklavenhandel zu. Das war zu der Zeit, als der Sklavenhandel über den Atlantik auf dem Höhepunkt war. Newton, bekannt als einer, der ständig fluchte und lästerte, war auf einem der Schiffe unterwegs und arbeitete sich hoch bis zum Kapitän.

Vorausglaube

In einem deutschen Gefangenenlager hatten sich im Zweiten Weltkrieg ein paar Amerikaner ein Radio gebastelt. Eines Tages kam die Nachricht, dass sich das deutsche Oberkommando ergeben habe. Die Lagerleitung selbst wusste noch nichts davon. Unter den Gefangenen verbreitete sich die Nachricht jedoch schnell und es herrschte allgemeiner Jubel. Drei Tage lang wurde gesungen; man winkte den Wachen zu und scherzte bei den Mahlzeiten. Am vierten Morgen stellte man fest, dass alle Deutschen geflohen waren. Das Warten hatte ein Ende.

Umgekehrte Paranoia

Ich kann mich noch erinnern, wie ich die Nachrichten anschaute, als 1991 in den Straßen von Moskau die friedliche Revolution geschah. Russen, die in einem totalitären System aufgewachsen waren, erklärten plötzlich: „Wir tun so, als wären wir frei.“ Sie gingen auf die Straße und stoppten die Panzer mit ihren Blicken. Der Kontrast zwischen den Führern drinnen und den Massen draußen zeigte, wer hier wirklich Angst hatte und wer frei war.

Auftauchen

Der Mensch hat es mit sichtbaren und unsichtbaren Wirklichkeiten zu tun – mit dem Natürlichen und dem Übernatürlichen. Daran musste ich denken, als ich vor der Küste Neuseelands Wale beobachtete. Ein Wal bleibt eine Zeit lang an der Oberfläche, dann atmet er ein paar Mal tief ein, wobei er beim Ausatmen eine spektakuläre Fontäne ausstößt, und taucht wieder hinab in die Tiefe.

Ängstliche Fische

Ein Salzwasseraquarium ist nicht einfach zu betreiben, habe ich festgestellt. Ich musste ein tragbares Chemielabor betreiben, um die Nitratwerte und den Stickstoffgehalt zu steuern. Ich pumpte Vitamine, Antibiotika, Schwefeltabletten und Enzyme hinein und filterte das Wasser durch Glasfasern und Kohle.

Nicht zählen

Das Stück Amadeus erzählt von einem Komponisten aus dem 18. Jahrhundert, der Gott verstehen wollte. Der fromme Antonio Salieri hatte den tiefen Wunsch, aber nicht die Fähigkeit, unsterbliche Musik zu schaffen. Es machte ihn wütend, dass Gott stattdessen den lausbubenhaften Wolfgang Amadeus Mozart mit dem größten musikalischen Talent gesegnet hatte.

Ich und Papa

Ein Bekannter wollte kürzlich in seinem Garten eine große Steintreppe anlegen. Als seine 5-jährige Tochter ihm helfen wollte, schlug er ihr vor, ihm etwas vorzusingen. Dann würde ihm die Arbeit leichter fallen. Aber das wollte sie nicht. Sie wollte helfen. Also ließ er sie ab und zu ganz vorsichtig, wenn nichts passieren konnte, an einem der großen Steine mit anfassen.